2022 hat das Christkind eine neue Tabulatur gebracht. Es ist nicht unbedingt ein Weihnachtslied, wenn man davon absieht, dass es vom Familienbesuch handelt: "Gestern abend war Vetter Michel da". Ganzer (hochdeutscher) Text auf: wikipedia. Besonderer Beliebtheit erfreute sich das Lied in Norddeutschland, wo es verschiedene Fassungen auf Platt gibt, z.B. www.meck-pomm-hits.de.
In der Musikwissenschaft hält man nicht viel von dieser Melodie: Das Wort "Vettermicheln" wird abfällig für eine "triviale und armselige Fortspinnung eines Motivs" verwendet. Genauer wird es hier beschrieben: wikipedia. Einfältige Gemüter, so wie ich, haben trotzdem viel Spaß mit dem Vetter...
Ein paar Erläuterungen zu der Tabulatur:
In Liederbüchern und im Internet findet man die Melodie in F-Dur oder in D-Dur. Beides klemmt auf der CG-Konzertina. Soll man nach C-Dur
oder nach G-Dur transponieren? Die Melodie gibt die Antwort vor: Der Tonumfang ist relativ groß: ca. 1,5 Oktaven. Wenn man in G-Dur spielt, bekommt
man den höchsten Ton (letzte Viertel in Takt 11) nicht, auch wenn die tiefen Töne rechts bequem auf der C-Reihe liegen.
Bleibt also nur C-Dur: Der höchste Ton findet sich auf der G-Reihe, dafür muss man für die tiefsten Töne (Takt 4) auf die linke Konzertinaseite wechseln.
Unten dazu mehr.
Das Lied steht im 4/4-Takt und der wird normalerweise links mit 1-23-1-23 (oder ähnlich) begleitet. Beim Rumdatteln ist mir aufgefallen, dass ich
links ständig 1-23-23 spiele, also eine Walzerbegleitung. Im 4/4-Takt?
Beim Blick in die Noten ist mir der Grund aufgefallen: Die meisten Takte bestehen am Anfang aus drei Viertelnoten, wobei die zweite und dritte
identisch und einen Ton tiefer sind als die erste. Das vierte Viertel besteht aus zwei Achtelnoten, die
aber quasi als Auftakt schon den nächsten Takt ansteuern.
Das gilt für folgende Takte: 1, 2, 3, 5, 6, 11, 13, 14, 15. Also in 9 von 16 Takten!
Das gibt dem Stück diesen besonderen "drive": tata TA-ta-taa, tata TA-ta-taa... [tata = Auftakt, TA = betonter erster Schlag,
ta-taa = unbetonter 2. und 3. Schlag].
Als einfältiges Gemüt (siehe oben) habe ich beschlossen, dem Bauchgefühl Rumdatteln zu vertrauen, und eine Begleitung zu probieren,
die das TA-Ta-Taa rhythmisch unterstützt und den (Quasi-)Auftakt dadurch betont, dass man ihn (wie so oft bei Auftakten) unbegleitet lässt.
Das habe ich auch im (musikwissenschaftlichen) Vettermichel (Takt 9 bis 12) durchgehalten, obwohl in Takt 9 und 11 der Auftaktcharakter der letzten Viertelnote
nicht so deutlich ist.
Die stereotype 4/4-Begleitung findet nur in Takt 7 und 15 Anwendung und leitet entspannt das Ende der Phrase ein.
So weit, so gut.
An zwei Stellen gibt es Probleme:
Takt 4:
Der tiefste Ton rechts ist das H (auf der C-Reihe). Der Achtellauf im Takt geht aber noch zwei Töne tiefer: A und G
Theoretisch gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten:
a) Ich bleibe auf der C-Reihe und spiele den 4. Takt so: Rechts: Z2 D1 Z1 Links: Z5 D5.
Die Begleittöne kann man links ergänzen. Der Nachteil der Lösung ist, dass zwei benachbarte Noten im Zug gespielt werden: H und A.
b) Ich springe auf die linke (!) G-Reihe und spiele den 4. Takt so: Links: D5 Z4 D4 Z3 D3.
Die Begleittöne kann man links ergänzen. Vorteil: Regelmäßiger DZ-Wechsel
Nachteil beider Varianten: In einem Achtel-Lauf links mit einer Hand Melodie- und Akkordtöne gleichzeitig greifen: Geht, aber ist anspruchsvoll!
Beim Rumdatteln habe ich mich für einen bequemen (=faulen) Kompromiss entschieden:
Die ersten drei Achtel im 4. Takt spiele ich rechts auf der C-Reihe. Auf der linken Seite erklingt die klassische 4/4-Akkordbegleitung: Grundton auf 1. Achtel,
Nachschlag auf 3. Achtel.
Für die vierte Achtel gibt es links zwei naheliegende Möglichkeiten:
(Einfacher:) Die beiden Finger auf der C-Reihe (Z23) springen auf die G-Reihe: ebenfalls Z23. Z3 ist der Melodieton, Z2 die Terz darunter.
oder
(Ein Denkvorgang mehr: einen Finger weglassen!) Nur der Finger auf C Z3 springt auf G Z3. (So in der Tabulatur notiert: Alleine der Melodieton!)
Beim 3. Viertel muss man bei der ersten Lösung nur die Balgrichtung von Z23 auf D23 wechseln, bei der 2. Lösung sollte man den eben weggelassenen Finger von C-Z2
auf G-D1 dazunehmen, um dem Endton des Achtellaufs das entsprechende Gewicht zu verleihen.
Auch hier gibt der Verstand im nachhinein dem Bauch recht: Die betonten Noten im Takt gehören alle zum G-Dreiklang. Da ich auf der
C-Reihe das Melodie-G (im Gegensatz zum Akkord links) nicht im Zug habe, muss ich die letzte Viertel eh auf der G-Reihe spielen, und dann liegt
das A auf der G-Reihe einfach nahe.
Egal welche Variante man wählt: Der Lauf auf der rechten Hand geht nach dem H ganz woanders weiter, was Übungsaufwand erfordert!
Takt 10/11:
Das F in der Melodie Takt 10 muss auf der C-Reihe gespielt werden, weil es auf der G-Reihe kein F gibt.
Das Fis in Takt 11 muss auf der G-Reihe gespielt werden, weil es auf der C-Reihe kein Fis gibt.
Wann die Reihen wechseln? Drei Möglichkeiten existieren: Schon beim G, erst beim A, oder auf den "letzten Drücker" beim Fis?
Eigentlich egal, ich habe mich in der Tabulatur für das A entschieden, weil man das vorhergehende 8tel-Paar auf einem Knopf spielen kann.
(433 KB) |